EU-Bürger haben neuerdings Anspruch auf Sozialhilfe – die Kosten bleiben an den Kommunen hängen. Deutschlands Städte und Kommunen fürchten angesichts der zunehmenden Einwanderung von EU-Bürgern ins deutsche Sozialsystem, finanziell überfordert zu werden. „Auf uns rollt eine enorme Kostenlawine zu“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der „Welt“.
Grund seien die jüngsten Urteile des Bundessozialgerichts, durch die Migranten aus anderen Mitgliedstaaten neuerdings schon nach kurzem Aufenthalt in Deutschland Anspruch auf Sozialhilfe hätten. „Für die Kommunen hat diese Rechtsprechung dramatische Folgen“, warnt Landsberg. Rund 130.000 hier lebende EU-Bürger würden damit schlagartig zu Anspruchsberechtigten. Die Kosten von bis zu 600 Millionen Euro im Jahr müssten allein die Städte und Gemeinden schultern. Denn anders als Hartz IV, das – abgesehen von 70 Prozent der Wohnkosten – vom Bund finanziert werde, seien die Sozialhilfeausgaben vollständig von den Kommunen zu zahlen. Dabei stehen viele Städte schon jetzt wegen der Flüchtlingskrise vor kaum zu bewältigenden Kostenproblemen.
Der Chef des Städte- und Gemeindebundes weist darauf hin, dass der Gesetzgeber ursprünglich klar festgelegt habe, dass die europäische Freizügigkeit der Arbeitskräfte nicht zu einer Zuwanderung in die Sozialsysteme führen dürfe. Deshalb haben EU-Bürger, die sich zur Arbeitssuche nach Deutschland begeben, hier keinen Anspruch auf Hartz IV. Auch der Europäische Gerichtshof bestätigte in den vergangenen beiden Jahren mehrfach, dass die Mitgliedstaaten arbeitslosen EU-Bürgern Sozialleistungen im ersten Jahr ihres Aufenthaltes vorenthalten können. Das Bundessozialgericht urteilte nun aber, dass die bedürftigen EU-Migranten, die kein Arbeitslosengeld II erhalten, stattdessen spätestens nach sechs Monaten in Deutschland Sozialhilfe beziehen können.
Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sieht „Regelungslücken“, die sie per Gesetz schließen will. Die Bundesregierung möchte offensichtlich die von den Briten angestoßene EU-Reformdebatte nutzen, um auf europäischer Ebene strikte Regeln bei den Sozialleistungen durchzusetzen.